China ist momentan ein beliebter Themenschwerpunkt von negativ konnotierten Nachrichten. Die Chinesen produzieren global agierende Vieren, überwachen ihre Bürger und frönen einen Hyperkapitalismus und nennen das Ganze Kommunismus.
Es ist an der Zeit sich ein etwas genaueres Bild zu machen, vom bevölkerungsreichsten Staat der Welt und einer Kulturnation, die historisch soweit zurück geht, dass man selbst als stolzer Europäer neidvoll nach Osten schaut.
Stefan Baron und Guangyan Yin-Barons Buch „Die Chinesen. Psychogramm einer Weltmacht“ sollte mir den Blick nach China öffnen und das hoffentlich vorurteilslos und erhellend. Das funktioniert leider nur zum Teil. Teil 1 des Buches versucht Geschichte und Kultur des Landes näher zu bringen, was gut gelungen ist, danach versucht der Autor kulturelle und wirtschaftliche Merkmale der Chinesen alltagsweltlich näher zu erläutern und hier trifft der Leser immer wieder auf ärgerliche Schwächen. Doch warum schreibe ich Autor, wo es doch zwei Autoren sind? Das liegt an der eigentümlichen Schreibweise des Buches, dass ganz aus der Perspektive des Autors Stefan Baron formuliert ist und der immer wieder nette Anekdoten seiner Frau (Guangyan Yin-Baron) einfließen lässt, was eigentlich immer nach demselben Schema funktioniert. Er erzählt wie verwundert seine Frau über europäische Kultur ist, oder wie sehr sie wiederum europäische Gesprächspartner mit ihrer chinesischen Argumentation verwundert. So liest sich dieses Buch aus der Perspektive des Ehemanns, an dem seine Frau mitgeholfen hat, wieviel ist genauso unklar, wie die Frage ob es da unterschiedliche kulturelle oder politische Perspektiven bei beiden Autoren gibt und wo diese auseinander geraten. Das stört aber eigentlich nur wenig. Was wirklich ärgerlich ist, sind die vielen Oberflächigkeiten und Klischees, die angetäuschte Offenheit der Perspektive und die ständige Wertung, die diesem Buch innewohnen. Es liest sich dann weniger als Buch über China, sondern wie eine Verteidigungsschrift des Landes und noch mehr seiner gegenwärtigen Politik. Das geht so weit, das amerikanische Statements gern mit dem Adjektiv „unverhohlen“ bezeichnet werden, chinesische Gegenargumente aber mit dem Wort „offen“. Der Text erscheint so wie ein 400 Seiten langer Feuilletonartikel, der ein paar spezielle Lieblingsautoren immer und immer wieder zitiert (wobei insbesondere häufige Zitation von Wolf Singer eingebaut werden, einem Vertreter der „modernen“ Hirnforschung, wo sich der Leser nicht nur fragt, was dieser Wissenschaftsgegenstand genuin mit China zu tun hat und was es neben der „modernen“ Hirnforschung noch so für Richtungen der Disziplin gibt? „Postmoderne“ oder vielleicht „unmoderne“ Hirnforschung?). Sehr gern werden auch Studien zitiert, aber alles, ohne sich die geringste Mühe der Zitation zu machen und das mit dem gängigen Argument, das diese für die bessere Lesbarkeit weggelassen wird. Das führt dann dazu das man sich des Gefühls nicht erwehren kann, dass nur das aus den Studien eingebaut wird, was den Autoren gerade ins Weltbild passt und das wird irgendwann wirklich immer ärgerlicher beim Lesen.
Nichtsdestotrotz ist das Buch eine interessante Einführung in die chinesische Kultur und Gesellschaft, die sich aber immer wieder in geopolitischen Meinungsäußerungen und Kulturvergleichen (mit einem eher fragwürdigen Konzept von Kultur) verfängt und die es nicht lassen kann Objektivität zu heucheln. Ein erster Blick nach China, bei dem man aber gleich einen zweiten Blick nachlegen möchte, weil man diesem ersten Blick irgendwie nicht richtig vertraut.