Jahr: 2024 | Regie & Drehbuch: Coralie Fargeat | Horrorfilm | 141min | Location: Hollywood
Ein viel diskutierter und auch häufig gelobter Film der letzten Monate war „The Substance“, der im September in die Kinos kam. Nachdem mein neuer Filmanbieter diesen Film im Portfolio hält, habe ich ihn mir angesehen und wollte eigentlich nicht viele Zeilen auf diesen Streifen verwenden, will es aber trotzdem machen, weil die Qualität des Filmes durchaus kontrovers diskutiert werden kann
Elisabeth Sparkle (Demi Moore) ist eine immer noch blendend aussehende, aber etwas alternde Hollywood Größe, die statt großer Filme nun nur noch in Fitnessvideos auftritt. An ihrem 50.Geburtstag (zum Zeitpunkt des Drehs wurde Demi Moore bereits 60 Jahre alt) erfährt sie vom, als äußerst schleimig zu bezeichnenden, Manager Harvey (Dennis Quaid), dass ihre Aerobic Show abgesetzt wird, weil sie nicht mehr jung genug und sexy enough ist. Der Schock darüber und die Versinnbildlichung ihres Niedergangs – in Form der Abhängung von Plakaten mit ihrem Konterfei – führen zu einem Unfall. Im Krankenhaus bekommt Elizabeth einen Umschlag mit einer geheimnisvollen Botschaft, die von einer Substanz berichtet.[1] Diese Substanz verspricht die Wiedereroberung der Jugend in Form eines Körpers, den man mit Anfang 20 hatte. Elisabeth besorgt sich das Starter Kit der Substanz und nimmt diese ein und gebiert (ähnlich den Gremlins) ein jüngeres Ich aus ihrem Rücken, während sie Scheintod in der Ecke zurückbleibt. Aber nach einer Woche muss der Körper per switch (eine Art Bluttransfusion) zurück gewechselt werden. Daher eine Woche existiert das junge Wesen und eine Woche das Original. Die jugendliche Sparkle nennt sich Sue (Margaret Qualley) und erobert in ihrer Woche die Welt, in dem sie den vakanten Aerobic-TV-Host-Job annimmt.
„The Substance“ ist ein Film, mit dem ich einige Probleme habe, den ich aber nicht absprechen kann, eine Wirkung zu erzielen. Deshalb hier zuerst die für mich eindrücklichen Aspekte des Films. Da ist die geradezu aufdringliche Ästhetik von „The Substance“, die wie ein -in Hollywood filmisch perfekt gesteigertes – Instagram Reel aussieht. Wir erleben plakative Körper, genauso wie ekelhaftes Bemühen, ein scheinbar gesellschaftlich (oder vielleicht sogar männlich – wenn man das überhaupt so unterscheiden kann) geprägtes Schönheitsideal zu erreichen. Das ist der Aufhänger der Geschichte, einer satirischen Kritik einer „Beauty-Instagramm-Welt“ des schönen Aussehens. Jetzt ist das Leben aber glücklicherweise ein bisschen mehr als ein Post in sozialen Medien und genau hier bleibt der Film einfach ganz stur seinem Thema verhaftet, weil er gar nicht mehr zeigen möchte, als diese überspitzte Welt, in der Zurschaustellung körperlicher Reize, Unterhaltung und Kommerz eng miteinander verbunden sind. Das ist als Zeitkritik ganz nett und man könnte überlegen, diesen Film als abschreckendes Leerstück für junge Influencer aufzuführen, um die Schrecken einer sich ausbreitenden Social Media Logik zu verdeutlichen.
Doch alles, was über diese Allegorie hinausgeht ist zutiefst unlogisch und kaum nachvollziehbar. Da ist als erstes die unklare Logik, ob Elisabeth und Sue ein Bewusstsein haben oder nicht (oder auch nur von den Erlebnissen der jeweils anderen Person mitbekommen). Im Film macht es aber eher den Anschein, als wären die Beiden eher durch eine Art Mutter und Tochter Beziehung verbunden. Ist letzteres der Fall, macht die Motivation weiterhin zu switchen für Elisabeth nur sehr wenig Sinn, denn es geht ihr ja um die Verjüngung des eigenen Körpers, nicht um die Geburt eines perfekten Nachkommens, von dem niemand weiß, dass es etwas mit ihr zu tun hat. Die Idee, die den Film am Laufen hält, ist dass bei unsachgemäßem Timing des Switches (daher zu spätes Wechseln) vom jüngeren zum älteren Körper, der Originalkörper dramatisch altert (oder in der Logik des Filmes; echt hässlich wird). Das führt dann zum handlungsleitenden Vorgang des Films, dass das Alter gegenüber der Dekadenz der Jugend verliert und sich fast willenlos in das Schicksal des nahenden zu alt Werdens ergibt. Anders formuliert, der Film kann nie klar machen, wo bitte der Anreiz für Elisabeth liegt die Substanz weiter zu verwenden, wenn alle Vorteile bei Sue liegen? Da Elisabeth nur Scheintod eine Woche rumliegt, während Sue ihre Jugend auslebt, scheint ihre einzige Aufgabe zu sein die Existenz einer nicht zu ihr gehörenden und als fremd zu bezeichnenden jungen Schönheit zu ernähren.
Man könnte hier eine Analogie mit der digitalen Welt ziehen; die zwischen realer Person und digitaler Selbstdarstellung, wenn man nach der Aussage des Films sucht. Aber das funktioniert nicht wirklich, denn reales Ich und digitales Ich sind biologisch einfach nicht voneinander zu trennen, so wie es der Film aber tut.[2] Die Differenz von Sue zu Elisabeth ist einfach viel zu stark und klar gezogen. „The Substance“ schafft es während des ganzen Filmes nicht, dem Zuschauer klar zu machen, warum Elisabeth Sparkle ständige die Substanz weiterbenutzen sollte. Das Demi Moore dafür mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde[3] erschließt sich mir nicht ganz, weil Moore im Verlauf des Films eigentlich nur in atemberaubender Geschwindigkeit älter und hässlicher wird, es aber absolut unklar bleibt, was sie handlungsleitend weiter antreibt. Der Maske (oder der Computerdesign-Abteilung) jedoch gebührt großes Lob für die Inszenierung eklig aussehender Körper.
So liegt das große Problem von „The Substance“ darin, dass der Film in seiner eindimensionalen Botschaft gefangen ist, welcher er zwar beeindruckend aufzieht, die aber nie aus seinen engen Grenzen hinausreichet. Für einen Horrorfilm ist er eindeutig zu wenig schaurig, für eine schwarze Komödie nicht ansatzweise witzig und für eine Gesellschaftskritik ist der Film einfach voll von billigen Stereotypen, die zwar folgerichtig sind, die einen aber nur zurückschauen lassen, mit dem eher diffusen Gefühl; „das Internet und Social Media eine ziemlich beschissene Öffentlichkeit geschaffen haben“.
[1] Auch hier stellt sich die auf diesem Blog gern gestellte Frage der Titelgebung einer deutschen Version eines Films. Warum hat man sich diesmal dazu entschieden, den Filmtitel nicht ins Deutsche zu übersetzen? „Die Substanz“ wäre ein sehr guter Titel gewesen!
[2] Man könnte den Film auch als Anspielung auf die Zukunft der Menschheit in einer künstlichen KI generierten Welt lesen, aber hier würde sich die Frage stellen, warum man gegenüber der jugendlichen KI verschrumpeln würde. Eine künstliche Welt, die uns ständig Schönheit präsentiert, kann unterhaltend oder langweilig sein, sie kann das dargestellte noch weiter vom biologischen Ich entfremden, aber sie macht einfach nicht schneller biologisch alter.
[3] Update vom 6.1.2025