Idee: Harry und Jack Williams | Thriller- Serie | 2.Staffel mit 6 Folgen (insgesamt 12) | veröffentlicht 2024 auf HBO Max
Ich kenne jede Menge Menschen, die gern wegfahren und fremde Orte erkunden und würde mich persönlich auch zu diesem Menschenschlag zählen, weil; irgendwas von der Welt sehen, quasi schon Teil der Wesensbestimmung ist des modernen Menschen ist. Man würde sich selbst dann Reisender nennen, nicht aber Tourist, denn das ist ein recht negativ aufgeladener Begriff. Reist man selbst, ist das meistens gut. Problemlos kann man seine eigene Reiselust moralisch überhöhen, indem man die Reiselust anderer Leute (die dann selbstredend nur in Touristenströmen in ihre Touristenviertel ziehen etc.) abwertet. Das ist eine Erklärungsfolie, die wahrscheinlich jeder von uns schon benutzt hat, wenn man an einem Punkt seiner Reise ankommen war, bei welchem man nicht so ganz zufrieden mit den Rahmenbedingungen war. Dabei bedeutet „Tourist sein“ eigentlich nur; nicht zu Hause zu sein, weg vom Alltag, etwas anderes zu sehen, was man nicht vor der eigenen Haustür hat.
Staffel zwei der australisch-europäischen Serienproduktion „The Tourist“ nimmt diesen letztgenannten Ausgangspunkt zum Thema für eine Serie, die so rein gar nichts mit Reisen zu tun hat (oder jedenfalls nur sehr wenig, quasi als Handlungsaufhänger). In Staffel 1 erlebten wir den Iren Elliot Stanley (Jamie Dorman), der bei einem Unfall jegliche Erinnerung an sein vorheriges Leben verloren hatte und feststellen musste, dass seine bisherigen Tage davon gekennzeichnet waren, dass man ihm in der Gegenwart an den Kragen wollte. Durch die Hilfe der Polizistin Helen Chambers (Danielle Macdonald) gelangte er zu einiger Klarheit seiner Situation, aber so richtig konnte er nicht einschätzen, wer gewesen war, aber man konnte berechtigterweise annehmen, dass es einen kriminellen Hintergrund hatte.
In Staffel zwei reist das Pärchen Elliot und Helen nach Irland, um tiefer nach der Vergangenheit von Elliot zu graben und wie nicht anders zu erwarten wird dieses Ausheben undurchsichtig und turbulent, denn kaum angekommen wird Elliot entführt, von der – wie sich später herausstellt – Familie des Whiskyproduzenten Frank McDonnell (Francis Magee). Diese liegt im Clinch mit der Familie von Niamh Cassidy (Olwen Fouéré), die wiederum Elliots Mutter ist und eine recht beherzt zustechende Person zu sein scheint. Das geht auch der Polizei zu weit, denn Detective Ruairi Slater (Conor MacNeill) hat selbst eine Leiche im Keller. Doch sein eher bedrückendes Leben wird bunter, als er Helens Ex-Freund Ethan Krum (Greg Larsen) kennenlernt, der Helen nach Irland nachgereist ist, um ihr wiederum zu verdeutlichen, wie sehr er an sich gearbeitet hat.
Die 2.Staffel von „The Tourist“ rückt die Frage der Sinnsuche im Leben in den Fokus. Wer sind wir und wer sind die anderen und ist das wirklich wichtig bis in Detail zu kennen (sind natürlich Fragen, die man sehr gern auf Reisen interpolieren kann)? Gibt es eine formende – vielleicht genetische – Persönlichkeitsnatur in uns, oder nur soziale Zustände, die uns prägen und wie sehr spielt der Kontext (oder besser die Erinnerung an Ereignisse) mit in das hinein, was wir in der Gegenwart tun. Das klingt tatsächlich etwas philosophischer, als die Serie letztendlich ist, die nicht mehr ganz mit Staffel eins mithalten kann. Das liegt zum einen, am etwas abenteuerlichen Setting Irlands, dass hier als eine traditionell familienbasierte Mafiakultur dargestellt wird, was dazu führt das die einzigartige Atmosphäre der 1.Staffel nicht mehr transformiert werden kann und jetzt etwas überzogen wirkt. Zum anderen ist die Story eine ziemliche Achterbahnfahrt mit einem eher enttäuschenden Ende, aber einem spannenden Ausblick auf eine mögliche 3.Staffel. Trotzdem ist auch Staffel 2 sehenswert, denn sie ist nicht unspannend, stellt gute Fragen und durchaus humorvoll. Dafür wird der Charakter von Ethan Krum umgebaut und ist jetzt der Taktgeber für Witz und Pointen in der Serie, was durchaus gelungen ist.