Seit „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Piketty im Jahr 2013 herauskam, erregt es eine gewisse Aufmerksamkeit. Nicht nur in den Bestsellerlisten erklimmt es die vorderen Plätze, die einem Fachbuch über Ökonomie nicht ohne weiteres zugetraut werden, es wird auch von Ökonomen, ebenso wie von der Öffentlichkeit diskutiert. Ein guter Grund, Sommerlesezeit dafür zu investieren.
Und Zeit sollte man sich nehmen, denn Piketty erläutert ausführlich auf über 800 Seiten sein Anliegen. Seine Untersuchung kann man als historische Betrachtung der Ungleichheit zusammenfassen, angefangen vom 19. Jahrhundert bis in unsere heutigen Tage. Dafür nutzt er ausführliche Statistiken, die er in aller Ausführlichkeit im Internet auslagert (wo sie für den Leser als „technischer Anhang“ abrufbar sind), so dass sie von der Argumentation nicht ablenken. Festzuhalten ist jedoch, dass die Datengrundlage sich zumeist auf Länder der 1.Welt stützt, weniger weil der Autor nur über sie schreiben möchte, mehr weil es einfach nur dort eine solide Datengrundlage (in Form von Steuerbescheiden) gibt. Piketty beleuchtet das Vermögen von Ländern und deren Einwohner, wie es sich in Arbeit und Kapital aufteilt und wie sich diese Verteilung im Laufe der Jahrhunderte ändert. Dabei spielen immer politische Einflüsse eine große Rolle, seien es Kriege oder neue politische Ideologien. Er stellt innere Regeln des Kapitalismus fest, wie zum Beispiel den Fakt, dass die private Kapitalrendite dauerhaft sehr viel höher sein kann, als die Wachstumsrate des Einkommens und der Produktion, was die Reichsten, die reichlich Kapital besitzen, natürlich immer reicher macht. Ausführlich nimmt sich Piketty die Ungleichverteilung der Vermögen vor und zeigt eindrucksvoll, wie es nicht nur immer mehr Milliardäre im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gibt, sondern beispielsweise auch, dass das reichste Ein-Prozent in Europa 25% des Nationaleinkommens besitzt und die reichsten 10% immerhin über 60% verfügen, während die ärmsten 50% mehr oder weniger nichts besitzen. Piketty zeigt die Gefahren auf, dass es schnell zu einer Rentiersgesellschaft kommen kann, indem sich Arbeiten weit weniger lohnt, als von ererbten Kapital zu leben. Dafür hält er ausführlich im Buch Schaubilder, Grafiken und Tabellen bereit, die seine Argumentation unterstreichen (und die wie oben angesprochen, noch im Internet ergänzt werden). Sein Anliegen, die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergehen zu lassen (eine für jede Gesellschaft elementare Aufgabe), will er mit einer Kapitalvermögensabgabe erreichen, einer Idee die er ausführlich im letzten Teil des Buches erläutert.
Für jeden Leser, der sich etwas für Geschichte, Ökonomie, Ungleichheit, sozialen Zusammenhalt und die Unterschiede zwischen Europa und den USA interessiert, ist dieses Buch fast schon eine Pflichtlektüre. Obwohl es eine beträchtliche Länge hat, ist es sehr anregend geschrieben, aber nicht nur das, es ist ein Fundus von Informationen, um die Welt besser zu verstehen und sich ein Bild von unserer Zeit zu machen. Und was kann ein Buch bitte mehr leisten? 14