Im Kino über den Wolken laufen manchmal Filme, die im Kino in der Stadt noch vor gar nicht langer Zeit noch liefen. Hat man dann einige Stunden Zeit, wie bei einem Lufthansa-Flug nach Buenos Aires, freut man sich darüber, dass der Sessel des Vordermanns an seiner Rückseite so eine reichhaltige Auswahl bietet. So war auch in der Filmbibliothek, die deutsch-österreichisch-französische Koproduktion „Vor der Morgenröte“ zu finden. Für den Film sprach nun nicht nur, dass er von mir tatsächlich vor der Morgenröte geschaut wurde (weil Nachtflug) und auch nicht nur, dass er in Südamerika spielt (das wusste ich vorher gar nicht), sondern eher, dass er mit Josef Hader in der Hauptrolle besetzt war und ich hörte das dieser seine Sache wohl grandios mache.
Hader spielt den österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig, der wegen seiner Ansichten und seiner jüdischen Herkunft von den Nazis aus Deutschland vertrieben, ins Exil gehen musste. Und so erleben wir einen Empfang des PEN-Kongresses in Buenos Aires im Jahr 1936, in welchem Zweig begeistert willkommen geheißen wird. Obwohl ihm das Regime in Deutschland zutiefst verhasst ist, gibt er aber kein politisches Statement ab, zu das man ihn drängt. Wir verfolgen weiter seine Lebensjahre im Exil, die er im Vergleich zu vielen anderen verfolgten Exilanten in Wohlstand und relativer Freiheit verbringt. Doch Zweig leidet mehr und mehr. An der Entwurzelung in der neuen Welt und dem Elend, in welche die Alte Welt versinkt und vor allem daran, dass es wohl keine Hoffnung mehr gibt, dass der nächtliche Dämmerschlaf der Zivilisation in Deutschland enden wird. Obwohl noch immer in einer neuen Heimat verehrt und geschätzt, lebt Zweig mit seiner zweiten Frau Lotte (Aenne Schwarz) immer in sich gekehrter.
Einen Film zu sehen, der in Südamerika spielt (witziger weise aber nicht dort gedreht wurde), über einen Menschen der dort zu Besuch ist und seine Heimat vermisst, während man gerade selbst vor hat, diesen Kontinent erstmals zu besuchen, hat schon seinen ganz eigenen, persönlichen Reiz. Doch „Vor der Morgenröte“ ist mehr. Maria Schrader schafft es ruhig, aber bildgewaltig, die Geschichte eines Exillebens zu erzählen, ohne dabei die von uns gleich ebenso mitgedachten Fakten wie Armut und Rechtlosigkeit im neuen Lebensort zu thematisieren, sondern daran zu erinnern, das Exil immer meint, die verlassene Heimat in sich zu tragen, wie eine verflossene Liebe, deren man nicht mehr habhaft werden kann.