Erschien 2023 bei Hanser mit 158 Seiten
Dieses Jahr versuchte ich, wie schon in den letzten Jahren, mit meiner Nichte im Park von Frankfurt Soßenheim, den grundgütigen Weihnachtsmann zu finden. Als wir seine Spur wir fast hatten, erklang das Weihnachtsglöckchen, was meine Nichte jedoch gefühlte Ewigkeiten nicht hörte und welches die Bescherung ankündigte, was wiederum besagte Nichte (als sie das Glöckchen endlich hörte) dazu brachte unter Hochdruck nach Hause zu laufen und ich flitzte hinterher. Es war jener Zeitgenosse im roten Mantel, den wir wieder nicht wirklich zu Gesicht bekamen, der aber am heiligen Abend, in kluger Zusammenarbeit mit dem Christkind (und unter Zuhilfenahme von Cola-Getränken) Geschenke verteilte und der mir das neueste Büchlein von Wolf Haas unter den Weihnachtsbaum legte.
„Eigentum“ ist kein neuer Brenner-Krimi von Wolf Haas, sondern ist, wie beispielsweise „Junger Mann“ ein autofiktionaler Text des Österreichers aus Maria Alm am Steinernen Meer. Wir erleben einen Erzähler, der natürlich Wolf Haas heißt, welcher wiederum die letzten Tage seiner Mutter auf Erden dazu nutzen möchte, genau über jene Mutter zu schreiben, obwohl er eigentlich eine Poetik-Vorlesung vorbereiten müsste.
Marianne Haas war kein sonderlich herzensguter Mensch und bei den Nachbarn eher unbeliebt. Ihr Leben war geprägt von Arbeit und dem Wunsch nach Wohneigentum, der sich aber durch fehlende Steigerung des Realeinkommens nicht einlösen ließ.
Diese sehr persönliche Buch von Haas ist ein bewegendes Monument über seine Mutter, die er sowohl mit Zuneigung, aber auch Distanz beschreibt. Wie gewohnt passiert das im Stile von Haas, sehr humorig mit Selbstironie und Wortwitz vorgetragen. Abgerundet wird dieses Buch durch die grundsätzliche Frage, wie man über das (reale) Leben schreiben könnte und obwohl das Ereignis im Roman ein Tieftrauriges ist, ist „Eigentum“ ein eher witziger als deprimierender Text und eine Hommage an eine nicht einfache Frau mit einem nicht einfachen Leben.